Synonyme: Stabile Seitenlage, Natolage, veränderte stabile Lage
Obgleich seit Jahrzehnten fester Bestandteil der Ersten-Hilfe Ausbildung in Deutschland zeigt sich bei genauerer Betrachtung ein eklatantes Defizit zwischen Meinung und Tatsache.
Die gegenwärtigen wissenschaftlichen Leitlinien teilen sich in 3 Klassifikationen;
S1-Leitlinien: Empfehlungen auf Basis eines informellen Konsenses
S2-Leitlinien: Empfehlungen auf der Basis eines strukturierten Konsenses
S3-Leitlinen: Empfehlungen auf der Basis von Evidenz
wobei der Natur nach Empfehlungen der Kategoire S3 die höchste Nachvollziehbarkeit und somit die höchste, wissenschaftlich erwiesene Wirksamkeit aufweisen.
Recherchiert man mit diesem Wissen in deutscher wie englischer Sprache, lassen sich keine Studien finden, welche die Wirksamkeit der Seitenlage auch nur ansatzweise untermauern.
Vielmehr entsteht der Eindruck das jeder Versuch des Beweises das Gegenteil untermauert.
Letztlich bleit ausschließlich der Rückzug auf S1 Niveau. Wobei die Frage nach dem „informellen Konsens“ nach wie vor strittig bleibt.
Soweit die Wissenschaft.
Was aber sieht der vermeintliche Anwender?
Hier imponiert der Gedanke den bewusstlosen Patienten vor dem eigenen Erbrochenem zu retten und die Verlegung der Atemwege durch die Zunge (genauer den Zungengrund samt Schlundmuskulatur) zu schützen.
Im Hinterkopf bleibt am Ende häufig zudem noch der Erste-Hilfe Ausbilder, welcher oft vermittelt das die exakte Position der Arme und Beine zweitrangig ist.
Aber ist das auch so?
Hierzu müssen zwei Fragen geklärt werden, nämlich erstens: wie viele bewusstlose Patienten ersticken an ihrem Erbrochenem, und zweitens: wie viele Patienten ersticken an ihrer „Zunge“.
Und Achtung, zu beiden Fragen existieren klar belegbare Aussagen.
Folgt man der aktuellen wissenschaftlichen Lektüre, erbricht ca. 1 von 100 Patienten in Zuge der Bewusstlosigkeit. Da Menge und Ablauf jedoch stark variieren, ergeben sich keine belastbaren Zahlen zur Untermauerung der Aussage.
Belastbarer ist hingegen die Frage nach dem Ersticken an der eigenen Zunge. Klar ist hier, selbst ohne wissenschaftliche Betrachtung, dass bei verminderter Sauerstoffzufuhr das Ableben droht.
Und wie oft passiert das in Deutschland, oder in der Welt?
Leider zeigt sich am Ende auch hier das Fehlen jeglicher exakten Zahlen.
Warum dann also weiterhin die Seitenlage?
Nun, letztlich scheint es kaum belastbare Fakten zu Nutzen und Vorteil zu geben. Vielmehr wird ein Mangel an Alternativen thematisiert.
Aber auch hier zeigt sich bei näherer Betrachtung eine grobe Fehleinschätzung.
So wird im Raum der anglo-amerikanischen Rettungsdienste schon seit Jahrzehnten die simple Flachlagerung des bewusstlosen Patienten auf dem Rücken propagiert. Hierbei wird bei Erbrechen zur Drehung des Kopfes geraten.
Tritt dieses seltene Ereignis hingegen nicht ein, hält der Helfer den Kopf des Bewusstlosen überstreckt und überwacht so zugleich sorgsam die Atmung. Wobei sich ein veränderter Atemtyp, wie z.B. Atemaussetzer mit diesem Vorgehen deutlich schneller erkennen lässt und somit die nötige Herz-Lungen-Wiederbelebung ohne die, wissenschaftlich belegte, europäische Wartezeit, beginnen kann.
Und nun?
Kurz und knapp ausgedrückt, sehen sie die Seitenlage als Alternative, aber keinesfalls als alternativlos.
Boris Schweizer
Critical Care Paramedic
Gründer und Geschäftsführer